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200 Jahre Landkreis Kusel – von 1818 bis 2018

Gekürzte Fassung des Vortrags
vom

LF V. Schlegel

am 07. Januar 2019

 

Am 1. April des Jahres 1818 nahmen die 12 Landcommissariate in der Pfalz ihre Arbeit auf - darunter auch das Landcommissariat Cusel.
Die Pfalz war seit dem 30. April 1816 ein Teil des Königreiches Bayern geworden, als König Max I. Joseph die „Lande links des Rheins“ in aller Form übernommen hatte. 


In den Kriegszügen infolge der Französischen Revolution hatte Kaiser Napoleon 1797 für ein Ende der territorialen Zersplitterung gesorgt und das gesamte linksrheinische Gebiet in seinen Besitz genommen. Das „Département du Mont Tonnerre“ mit der Hauptstadt Mainz umfasste den größten Teil der heutigen Pfalz, und der westliche und südwestliche Teil unseres heutigen Kreises wurde Teil des „Département Sarre“ mit der Hauptstadt Trier. Untere Verwaltungseinheiten waren die Arrondissements mit den Cantonen.
Die Zeit der französischen Herrschaft brachte der Pfalz weitreichende staatsrechtliche und gesellschaftspolitische Neuerungen unter dem Begriff der Institutionen: die Feudallasten wurden abgeschafft; öffentliche Gerichtsverhandlungen und Schwurgerichte wurden eingeführt, Glaubensfreiheit, Gewerbefreiheit, die Trennung von Verwaltung und Justiz. Die Schulen wurden verstaatlicht, der Besitz des Adels und ein Großteil der kirchlichen Besitztümer wurden als Nationalgüter meistbietend versteigert. 
Gewöhnen mussten sich die Pfälzer auch an das neue Dezimalsystem für Längen-, Flächen- und Raummaße, und die wichtigste Neuerung im Rechtssystem war der „Code Civil“, das Gesetzbuch, das jedem Bürger Rechtsgleichheit garantierte.

Nachdem die Truppen Napoleons 1813 in der Völkerschlacht bei Leipzig geschlagen worden waren, besetzten die Alliierten das linksrheinische Gebiet, und mit dem Pariser Frieden von 1814 wurde das Gebiet zwischen Rhein, Mosel und Queich gemeinsam von Bayern und Österreich verwaltet. 
Im Frühjahr 1816 wurde die Pfalz dem Königreich Bayern zugeordnet, und Bayern erhielt große Teile des „Departements du Tonnerrre“ und vom „Departement Sarre“ die Kantone Blieskastel, Waldmohr und Kusel, dazu vom Kanton St. Wendel die Orte im Ostertal und im Kanton Grumbach die Orte Eschenau und St. Julian.
Die bayerische Regierung gliederte den Rheinkreis in 12 Landcommissariate Die Leitung eines Landcommissariates wurde dem „Landcommissär“ übertragen, begrifflich in direkter Ableitung von der Funktion des „Hofcommissär“, der als Vertreter des Königs und als Regierungspräsident die Geschicke des „Rheinkreises“ am Sitz der Kreisregierung in Speyer zu lenken hatte. Mit der Bekanntmachung im Amtsblatt vom 18. Februar 1818 war der Ursprung für den Landkreis Kusel gelegt, mit den Cantonen Cusel, Lauterecken und Wolfstein – der Canton Waldmohr wurde dem Landcommissariat Homburg zugeordnet.  

Als erster Landcommissär trat Herr Anton von Besnard seinen Dienst am 1. April 1818 in Cusel an, dem Verwaltungssitz des neu gebildeten Landcommissariates, ohne jede Feierlichkeit, ohne fest umrissenen Aufgabenkatalog, ohne Übergabe irgendwelcher Zeichen, Schlüssel oder Urkunden. 
Als Dienst- und Wohngebäude war ihm das Tribunalgebäude an der Landschaftstraße, heute als „Ehemalige Landschreiberei“ bekannt, zugewiesen worden.

Im Besitznahmepatent vom 30. April 1816 garantierte König Max I. Joseph den Pfälzern den Fortbestand der wichtigsten „Institutionen“, der Errungenschaften der Französischen Revolution.
Ausgesprochen geschickt war es, dass die bayerische Regierung die meisten Beamten in den Ämtern beließ, die sie bereits in der französischen Zeit bekleidet hatten – mit Ausnahme der leitenden Spitzenbeamten.
Ein Problem für die bayerischen Beamten war die Unterschiedlichkeit der Verwaltungsgliederung mit Kantonen und Landcomissariaten im linksrheinischen und den Landgerichtsbezirken im rechtsrheinischen Bayern. Auch die unterschiedliche Gesetzgebung wurde zu einem Problem.

Landcommissariat Cusel

Am äußeren Rand der Pfalz gelegen, in einer langgestreckten Form das Bergland einnehmend, im Norden wie im Westen ans Ausland grenzend, wies der neu geschaffene Verwaltungsbezirk ernste Geburtsfehler auf. Die Wahl des Verwaltungssitzes war auf Kusel gefallen, dem größten Ort, aber alles andere als zentral gelegen und für die Bewohner der Kantone Lauterecken und Wolfstein nur schwer zu erreichen. Etwa 27.000 Menschen lebten hier in 98 Gemeinden. 97% der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft, andere Wirtschaftszweige entwickelten sich im Laufe des 19. Jahrhunderts nur vereinzelt. Erst im letzten Drittel des Jahrhunderts entsteht industrielle Produktion. Aber die Landwirtschaft konnte nicht mehr die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen, vor allem wegen der Realteilung und der Folge, dass die zu einem landwirtschaftlichen Betrieb gehörenden Parzellen immer kleiner wurden, die Anzahl der zu versorgenden Familien aber beständig wuchs. Schlimm waren die Missernten in den Jahren 1815 und 1816, die zu großer Not und Hungerjahren führten. Die Preise für Getreide und andere Nahrungsmittel schnellten in die Höhe, so dass viele Familien nicht mehr in der Lage waren, ihren Nahrungsbedarf aus eigener Kraft zu decken.
 
Friedrich Blaul berichtet 1836 von seiner Reise durch Rheinbayern „von dem unverwüstlichen Fleiße der Westricher Bauern“, die keinen Boden unbearbeitet lassen. 
„So weit man sehen kann, sind alle Hügel und selbst beträchtliche Berge bis zum Gipfel mit Getreidefeldern bedeckt – ein lieblicher Anblick in der Zeit der Ernte, aber man darf nicht an die unsägliche Mühe denken, mit welcher die Leute das Feld in jedem Herbst und Frühling bestellen müssen, um eine erkleckliche Ernte daraus zu ziehen; man darf nicht daran denken, daß ein einziges Unwetter alle Hoffnungen für ein ganzes Jahr von diesen Höhen herabschwemmen kann.“
 
Angesichts der Tatsache, dass unser Landcommissariat aus 98 Gemeinden bestand, war es eine nicht zu schaffende Aufgabe für den Landcommissär, sich in angemessener Zeit von allen Gemeinden und deren Besonderheiten ein Bild machen zu können. In den frühen Jahren des 19. Jhdts. gab es kaum gut befahrbare Wege und keine befestigten Straßen, auf denen man zu jeder Jahreszeit und bei jeder Wetterlage hätte Wegstrecken zügig zurücklegen können. Die einzige überörtliche Verbindung kann man in der Glanstraße sehen, einer Staatsstraße II. Klasse im Westen des Landcommissariates. Aber der Zustand war durchweg miserabel, diente sie doch während der napoleonischen Kriege als Heerstraße. Erst im Jahre 1860 war die Glanstraße als Verbindung von Homburg über Brücken, Herschweiler und Konken nach Kusel, Altenglan und Lauterecken bis Odenbach durchgängig in einem angemessenen Zustand und als Straße hergestellt worden.

Wieviel Zeit für die Wahrnehmung der vielen Aufgaben eines Landcommissärs notwendig war, wird aus einer Aufstellung erkennbar, die Bezirksamtmann Clostermeyer im Jahre 1862 der Regierung in Speyer vorlegte: 
"Für die jährlich durchzuführenden Visitationen der 98 Gemeinden setzte er 62 Tage an, für die Visitation der Schulen weitere 30 Tage. Darüber hinaus gab es viele weitere Anlässe für Dienstreisen. Im Geschäftsjahr 1862/1863 war Bezirksamtmann Clostermeyer nachweislich 107 Tage außerhalb von Kusel unterwegs gewesen, und häufig musste er wegen der großen Entfernungen übernachten." 

Mit einer Dauer von 29 Jahren eine der längsten Amtszeiten weist Landcommissär Adalbert Dilg auf. Das aufkommende Wandermusikantentum veranlasste ihn 1844 zu einem Schreiben an die Bürgermeisterämter, „die nach Frankreich wandernden Musikanten betreffend“, in dem ein Genehmigungsverfahren vorgeschrieben wurde, dass diesen offensichtlich von der Obrigkeit ungeliebten Trend behindern sollte.
„Das Umherziehen junger Leute als Musikanten in Frankreich ist häufig mit den nachtheiligsten Folgen für Religiosität und Sittlichkeit verbunden. Dieselben gewöhnen sich an eine frivole Denk- und Handlungsweise und die Leichtigkeit des Gelderwerbs benimmt ihnen nicht selten den Sinn für geregelte und anstrengende Beschäftigungen.
Nur fleißigen und unbescholtenen Individuen, denen das Mittel zu einem redlichen Erwerbe nicht entzogen werden soll, dürfen ...Pässe zu Reisen nach Frankreich ausgefertigt werden.“

In die Amtszeit von Adalbert Dilg fiel sowohl das Hambacher Fest (1832) wie auch der Pfälzische Aufstand und die Revolution von 1848/49. In den Kantonen Lauterecken und Wolfstein gab es besonders viele Anhänger der Erhebung, und in Kusel gründete man eine Bürgerwehr, 160 Mann stark, straff organisiert, vom Fabrikanten Ludwig Schleip geführt. Eine schwarz-rot-goldene Fahne wurde geweiht und sollte die Bürgerwehr als Freiheitskämpfer ausweisen. Die Pfalz sollte sich von Bayern unabhängig machen – das war das Ziel dieser Bewegung, und am 17. Mai 1849 wurde in einer großen Volksversammlung in Kaiserslautern mehrheitlich beschlossen, eine provisorische Regierung zu bilden. Landcommissär Dilg musste sein Amt verlassen und floh – aber der badisch-pfälzische Aufstand wurde von preußischen Truppen niedergeschlagen.
Jakob Gilcher aus Kusel war einer der Freischärler, der als 19jähriger an der pfälzisch-badischen Erhebung aktiv teilnahm, was ihn bis nach Karlsruhe führte. Er schrieb als fast 80jähriger seine Erinnerungen auf, und in seiner Schlussbetrachtung heißt es:
„Eine Bewegung, die in Berlin und Wien mit Blut erstickt wurde, konnte in der Pfalz nicht siegen. Die Vollendung dieser Arbeit ist der späteren Generation geblieben. Aber durch die Revolution haben wir heute (1909) Mittel und Wege erhalten, auf friedlichem Wege die Freiheiten zu fördern und bei der gewaltigen Macht, welche der öffentliche allgemeine Wille heute durch Parlament und Presse durch tausend Organe ausübt, ist es uns viel leichter gemacht, unsere Wünsche durchzusetzen."
Auch ein Urahne der Wolfsteiner Unternehmerfamilie Braun, Jakob Krieger, war begeisterter Republikaner und schloss sich den Revolutionären an. Ein Jahr später floh er über Le Havre nach Amerika und gründete ein florierendes Handels- und Bankgeschäft.

Distriktsgemeinden

Von großer Bedeutung für die Entwicklung im Landcommissariat wurde das Distriktsratsgesetz vom 28. Mai 1852, mit dem die Kantone Kusel, Lauterecken und Wolfstein in Distrikte umgebildet wurden. Das Gesetz nahm den in der Franzosenzeit üblichen Begriff wieder auf und galt jetzt für das gesamte Königreich Bayern. Danach war die Distriktsgemeinde ein höherer Gemeindeverband, der eigenständig agieren konnte, rechtsfähig war, aber unter der Aufsicht des Staates stand. Vieles konnte der Distrikt in eigene Regie übernehmen, was zuvor von den einzelnen Gemeinden oder gar nicht geleistet werden musste: die Aufnahme von Krediten zur Bestreitung von außerordentlichen Vorhaben, Erwerb und Verkauf von Eigentum, Aktivitäten und Einrichtungen für die Wohlfahrt, Distriktsarmenpflege und anderes mehr. Auch der Bau von Distriktsstraßen gehörte zu den Aufgaben und bekam eine besondere Bedeutung für alle Straßen, die mehr als zwei Orte miteinander in Verbindung brachten.

Distriktssparkassen

Die Gründung von Distriktssparkassen erfolgte über die Distriktsgemeinden. Die Gründung des Deutschen Reiches und der gewonnene Krieg gegen Frankreich schaffte Voraussetzungen für einen spürbaren wirtschaftlchen Aufschwung, so dass im Jahre 1878 in den drei Kantonen je eine Distriktssparkasse gegründet werden konnte. Von den ihnen anvertrauten Einlagen der Bürger konnten sie Kredite ausgeben, um Investitionen der Gewerbetreibenden und Handwerker zu fördern.

Bezirksamt

Ab 1. Juli 1862 erhielten die Landkommissariate die Bezeichnung „Bezirk“ und wurden von einem Bezirksamtmann geleitet. Veranlassung dazu war die Verwaltungsreform für das rechtsrheinische Bayern. Am Vorbild der pfälzischen Landcommissariate orientiert, erhielten die neu geschaffenen Bezirksämter die administrativen Aufgaben der unteren Behördenstufe, und für die Rechtspflege wurden eigene Land- und Stadtgerichte eingerichtet. Die seit Napoleons Zeiten in der Pfalz bestehende Trennung von Verwaltung und Justiz war jetzt in ganz Bayern gültig. 
Das Personal eines Bezirksamtes bestand aus: 
•    dem Bezirksamtmann, im Rang eines Regierungsassessors, in der Uniform eines Regierungsrates,
•    dem Bezirksamtsassessor im Rang eines Regierungssekretärs, in der Uniform des Regierungsassessors, 
•    dem Schreibpersonal, bestehend aus 2-3 Personen.
Die Dienstzeiten waren vormittags von 8 –12 Uhr, nachmittags von 14 – 18 Uhr.
Lange Jahre dauerte es, bis die zunehmende Raumnot des Bezirksamtsgebäudes in Kusel behoben werden konnte und Bezirksamtmann Eugen Rauh (1875 – 1879) ein neu errichtetes Gebäude in der Trierer Straße beziehen konnte, der Kern des heutigen Komplexes der Kreisverwaltung. Ein schönes Gebäude, aber offensichtlich nicht ohne Mängel, wie die Beschwerden von Rauh und seinem Nachfolger Heinrich Wilhelm Hierthes (1879 – 1887) über Feuchtigkeit im Keller, schlechte Qualität des Brunnenwassers und anderen belegen. 

Gerichtswesen

In jedem Kanton gab es eine Gerichtsstätte, zunächst als Friedensgericht, dann – ab 1862 - als Landgericht und schließlich, mit dem Inkrafttreten des Gerichtsverfassungs-gesetzes im Jahre 1879, als Amtsgericht bezeichnet. Verbunden damit war immer auch ein Gefängnis.
Um das Jahr 1900, mit der Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und der neuen Aufgabe der Grundbuchführung, reifte der Entschluss, ein neues Amtsgerichtsgebäude in der Trierer Straße in Kusel zu errichten, unweit des Bezirksamtes gelegen, das 1902 bezogen wurde.
Etwa gleichzeitig beginnen auch die Bauarbeiten am Gefängnis- und Gerichtsgebäude in Lauterecken. Das bestehende Gebäude in der Schulstraße wurde aufgestockt, um dem Amtsgericht mehr Raum zu schaffen.
In Wolfstein war das Gericht im Rathaus untergebracht. Im Jahr 1873 wurde das Obergeschoss so erweitert und umgebaut, dass das Gericht dort besser tagen konnte, aber ebenfalls um 1900 kam es zum Neubau, der 1903 in Dienst gestellt werden konnte.

Wie bescheiden die Personalstärke der Gendarmerie im Bezirk war, erkennt man aus einem „Verzeichnis der Stationen der Gendarmeriebrigade Kusel“ vom 26. Juni 1898, welches diese Besetzungen aufführt:
Kusel                                   1 Wachtmeister,                 3 Gendarmen
Herschweiler-Pettersheim    1 Stationskommandant,     2 Gendarmen
Lauterecken                         1 Stationskommandant,     2 Gendarmen
Wolfstein                              1 Sergeant,                        2 Gendarmen
Demnach standen insgesamt 13 Polizisten für das Bezirksamt mit seinen 98 Gemeinden zur Verfügung. 
 

Entwicklung der Bevölkerung, der Verkehrswege und der Arbeitsplätze

Die Verfolgung und drastische Bestrafung der Anhänger der Revolution von 1848/49 verstärkte die ohnehin heftige Auswanderungswelle, die in der Westpfalz besonders deutlich spürbar wurde. Es waren neben den politischen insbesondere wirtschaftlich-soziale Gründe, die Tausende von Einwohnern seit den 30er Jahren veranlasste, eine bessere Zukunft vor allem in Brasilien und in den USA zu suchen. Die Bevölkerungszahlen im Bezirk Kusel zeigen uns, dass trotz des allgemein in den deutschen Ländern feststellbaren Bevölkerungszuwachses bei uns die Zuwächse geringer ausfielen und sogar Bevölkerungsverluste eintraten.

Im Bezirk Kusel lebten in den Jahren
1821      1840      1849       1855       1871    1880      1890       1910
28.564   38.498   40.076   38.560   39.721   42.175    41.985    46.730 Menschen

Einen deutlichen Zuwachs der Bevölkerung gab es also erst um die Jahrhundert-wende. Verringerung der Kindersterblichkeit und Verbesserungen in der medizinischen Versorgung, eine bessere Versorgung mit Nahrungsmitteln dank moderner Düngemittel und landwirtschaftlicher Anbaumethoden förderten diese Entwicklung ebenso wie die zahlreicher werdenden Arbeitsangebote in Bergbau und Industrie, wie sie seit den 70er Jahren auch in der Westpfalz verfügbar waren. 1874 gab es in Kusel eine erste „Industrieausstellung“, die durchaus als Signal für die Entstehung größerer Betriebe in unterschiedlichen Branchen gelten kann: Tuchfabriken, Spinnereien, Maschinen-fabriken und die Steinbruchbetriebe sind hier zu nennen.

Die Verkehrsverhältnisse wandelten sich grundlegend, wobei der voranschreitende Straßenbau einen erheblichen Anteil hatte. Mit zeitlichem Verzug wurde der Bezirk Kusel an das Eisenbahnnetz angeschlossen: bis zur Eröffnung der Eisenbahnlinie von Landstuhl nach Kusel im September 1868 gab es nur eine Straßenverbindung zum Bahnhof in Heimbach und damit zur Nahebahn in Preußen. Der bayerische Staat hatte es bis dahin nicht geschafft, unseren Bezirk mit einer modernen Verkehrsanlage auszustatten. Und dabei waren es ja nicht nur die Steine, die aus den Steinbrüchen abzutransportieren waren, um als Pflastersteine zur besseren Erschließung der Städte, z.B. auch in Paris, beizutragen. In einer Denkschrift von 1863, in der Amtszeit von Bezirksamtmann Clostermeyer, werden die Viehmärkte in Quirnbach und Kusel mit Umsätzen von insgesamt 800.000 bis 1.000.000 Gulden pro Jahr zur Forderung nach einer Bahnlinie ebenso herangezogen wie die 94 Kalköfen in den Orten um Altenglan herum mit einer Produktion von etwa 500.000 Zentnern Kalk im Jahr.
Im Herbst 1883 nahm schließlich die Eisenbahnlinie im Lautertal von Kaiserslautern bis Lauterecken-Grumbach den Betrieb auf, und Bezirksamtmann Hierthes konnte im Herbst 1896 bei der Inbetriebnahme der Verbindung von Lauterecken über Odenbach und Meisenheim zur Nahebahn dabei sein. Zehn Jahre vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges, im Mai 1904, war die als „Strategische Bahn“ geplante Eisenbahnverbindung von Homburg über Glan-Münchweiler, Altenglan und Odernheim nach Bad Münster am Stein fertiggestellt. Damit hatten vor allem die Tuchindustrie in Wolfstein und in Kusel mehr Möglichkeiten, die Rohstoffe zu den Produktionsstandorten und die Fertigprodukte zu den Verbrauchern zu bringen.
Die Elektrifizierung und der Aufbau moderner Telekommunikation waren weitere wichtige Voraussetzungen für eine bescheidene Entwicklung von Industrie und Gewerbe. Die Stadt Kusel wurde 1900 an das Telefonnetz und erst 1922 an das Stromnetz angeschlossen.

Kriegszeiten

Im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 waren die Städte angehalten, Bürgerwehren zu bilden. Bewaffnete Corps sollten ernsteren Störungen der Ordnung erfolgreich begegnen können und zur Beruhigung der Bevölkerung dienen. Auch die Gemeinden auf dem Lande waren angehalten, „in den Fällen ernsterer Gefahr sofort alle geeigneten Männer der Gemeinde zur Abwehr aufzubieten und wenn thunlich auch die Nachbargemeinden um Hilfe anzugehen...“              
Im Bezirk Kusel sollte ein Lazarett mit Platz für 1.000 Verwundete aufgebaut werden, wurde aber wegen der schnellen Entscheidung in diesem Krieg nicht in diesem Umfang gebraucht. 

Ganz anders im Ersten Weltkrieg, als im Bezirk Kusel wegen seiner Nähe zur Westfront alle verfügbaren Kräfte zur Sicherung des Vormarsches nach Frankreich gebraucht und mehrere Lazarette zur Aufnahme der von der Front zurückgekehrten Verwundeten eingerichtet wurden. Eine große Welle der Hilfsbereitschaft der Bevölkerung konnte manches Leid mindern, was aber immer schwieriger wurde angesichts der schlechter werdenden Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und Ausstattungsteilen, je länger der Krieg andauerte. 
Nachdem die Kampfhandlungen endgültig am 11. November 1918 mit dem Waffenstillstandsabkommen von Compiègne beendet worden waren, zogen Ende November die letzten deutschen Truppenteile auf ihrem Weg zurück von der Front im Westen durch den Bezirk, und wenige Tage später waren es wieder französische Soldaten, die in die Pfalz einmarschierten, um das Gebiet links des Rheins zu besetzen. Das dies eine bemerkenswerte Situation war, stellte auch der französische General Augustin Gérard in seinem Tagesbefehl vom 28.11.1918 fest, wenn er daran erinnerte, dass die Trikolore vor wenig mehr als einem Jahrhundert schon einmal in diesem Gebiet geweht habe. 
Als Folge des verlorenen Krieges wurde das Saargebiet vom Deutschen Reich abgetrennt, und Bayern musste den gesamten Bezirk St. Ingbert, die Stadt Homburg mit weiteren zehn Gemeinden des Bezirks Homburg sowie 15 Gemeinden des Bezirkes Zweibrücken an das neu gebildete Saargebiet abtreten. Das Bezirksamt Homburg wurde aufgelöst, der Distrikt Landstuhl dem Bezirk Kaiserslautern und der Distrikt Waldmohr dem Bezirksamt Kusel zugeordnet. Zur Erleichterung des Übergangs wurde in Waldmohr eine Außenstelle des Bezirksamtes Kusel eingerichtet. Sie bestand bis 1940.
Die Weimarer Verfassung wie die Verfassung des Freistaates Bayern vom 14. August 1919 garantierten das Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung. Die Aufgaben der Distrikte wurden dem Bezirk übertragen, und das Vertretungsorgan war der „Bezirkstag“, der Vorläufer unseres Kreistages, der von den Wahlberechtigten des Bezirkes gewählt wurde.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Franzosen den Rhein zur Zollgrenze erklärt, was die Pfalz wirtschaftlich vom rechtsrheinischen Deutschland abschnitt und zu Teuerung und steigender Arbeitslosigkeit führte. Die ausbleibenden Reparationszahlungen führten zur Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen und Belgier, worauf hin deutsche Behörden, Geschäftsleute, Unternehmer usw. passiven Widerstand leisteten. Die Rheinland-Kommission antwortete mit Ausweisungen von Politikern, Beamten, Geschäftsleuten und anderen Personen. Auch führende Beamte des Bezirksamtes Kusel mussten mit ihren Familien für etwa ein Jahr die Pfalz verlassen. 
In der Pfalz gründeten separatistische Kräfte – unter Duldung der Franzosen – die  selbständige „Rheinische Republik“, besetzten im November die größeren Städte der Pfalz, und der „Freie ‚Bauer“ Franz Josef Heinz aus Orbis bei Kirchheimbolanden trat an die Spitze einer „Autonomen Regierung der Pfalz“. Auch in Kusel marschierten am 12. November 1923 separatistische Kräfte ein, unter dem Schutz eines Krottelbacher Bauernaufgebotes und separatistischer Polizisten aus Kaiserslautern. Sie besetzten das Bezirksamt in Kusel. Die Bediensteten des Bezirksamtes hatten vorsorglich die Amtssiegel, die Kassenschlüssel, Schreibmaschinen und wichtige Akten rechtzeitig abtransportiert und in der Stahlkammer der Bezirkssparkasse deponiert.
Nachdem der Führer der pfälzischen Separatisten am 9. Januar 1924 in Speyer erschossen worden war, brach die Bewegung zusammen, und am 12. Februar verließen auch die Separatisten in Kusel das besetzte Bezirksamt. Die ausgewiesenen Beamten konnten ihre Arbeit wieder aufnehmen. 

Zeit des Dritten Reiches

Nachdem die Nationalsozialisten am 10. März 1933 auch in Bayern an die Macht gekommen waren, entfernten sie missliebige Mitglieder, verringerten eigenmächtig die Zahl der Bezirkstagsitze und besetzten die Vertretungen neu, nur mit NSDAP- Leuten. Durch Verordnung des Reichsinnenministers vom 28. November 1938 wurde die bisherige Bezeichnung „Bezirksamt“ in „Der Landrat“ geändert, und die Selbstverwaltungsorgane hießen jetzt „Kreistag“ und „Kreisausschuss“. Damit waren die in Preußen üblichen Bezeichnungen auch in Bayern und im gesamten Deutschen Reich eingeführt. Robert Leuthner war der erste Amtsvorstand im Landkreis Kusel, der den Titel „Landrat“ trug.
Während des Zweiten Weltkrieges nahmen die Aufgaben des Landratsamtes stark zu, z.B. durch Militärerfassung, Luftschutz, Landesplanung, Reichserbhofgesetz, Ahnenkartei und anderes mehr. Die Zahl der Mitarbeiter stieg nominell an, wurde aber durch Abordnungen zu anderen Dienststellen reduziert. Mit dem Einmarsch der Amerikaner am 19. März 1945 endete die Amtszeit des letzten NS-Landrates Dr. Josef Oppitz.

Schwieriger Neubeginn

Captain Joseph Schrank kam am 22. März 1945 als US-Kommandant nach Kusel. Er ernannte sogleich nach seiner Ankunft einen Beamten des Landratsamtes zum provisorischen Landrat, berief ihn aber wegen „politischer Unzuverlässigkeit“ bereits nach drei Tagen wieder ab. Arthur Sommer aus Kusel wurde zum neuen Landrat bestellt, dessen Lebensführung und Amtsausübung aber bald in die öffentliche Kritik geriet. Adolf Trier übte das Amt des Landrates nur ein halbes Jahr lang aus, ihm folgte im August 1946 Dr. Theodor Henrich und 1948 Erwin Simon, der bis 1955 hier tätig war.
Die französische Besatzungsverwaltung – seit dem 10. Juli 1945 war die Pfalz französische Besatzungszone - ordnete die Wahl eines Kreistages an, der schließlich am 30. Oktober 1946 erstmals zusammentrat. Die Sicherung der Ernährung, die Bekämpfung des Schwarzmarktes und die Wiederherstellung einer Verkehrsinfrastruktur waren die wichtigsten Aufgaben der Nachkriegszeit.
Im Juni 1956 trat Gustav Adolf Held den Dienst als 22. Landrat an. Unter seiner Regie entstand das neue Landratsamt, angegliedert an das bestehende Gebäude. Die Kommunalreform von 1969 bis 1974 brachte viele Veränderungen: 25 Ortsgemeinden kamen neu zum Landkreis, 12 mussten abgegeben werden. Etliche Gemeinden wurden zusammengeschlossen, teilweise unter einem neuen gemeinsamen Namen. So waren es in einem vergrößerten Landkreis wieder 98 Gemeinden – 1919 waren es 118 Gemeinden, 1947 waren es 112 Gemeinden gewesen. Auch konnte die Burg Lichtenberg dem Kreisgebiet zugeschlagen werden und der Ausbau der Burgruine mit der Wiederherstellung der Zehntscheune und des Bergfrieds beginnen. Mit der Einrichtung eines einmaligen Museums wurde die Zehntscheune zum Hort der Tradition des Wandermusikantentum. In der 29 Jahre dauernden Amtszeit von Gustav Adolf Held (1956-1985) entstanden die Schulzentren in Kusel und Schönenberg-Kübelberg sowie die Neubauten der Gymnasien in Kusel und Lauterecken.

Noch länger als Landcommissär Dilg und Landrat Held übte Dr. Winfried Hirschberger das Amt des Landrates aus (1985-2017). Der Ausbau der Burg Lichtenberg wurde fortgesetzt mit dem Bau des Urweltmuseums Geoskop. Als wichtiges touristisches Highlight ist die Draisinenstrecke von Altenglan nach Staudernheim zu nennen. Aber auch die Revitalisierung der Wasserburg Reipoltskirchen, der Neubau der Jugendherberge auf Burg Lichtenberg, der jährlich stattfindende Europäische Bauernmarkt und der Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs sind wichtige Beiträge zu einer Stärkung der touristischen Entwicklung gewesen. 
Im Oktober 2017 übernahm Otto Rubly das Amt des Landrates im Landkreis Kusel.

24 Amtsvorstände des Landkreises Kusel

•    1818-1825       Anton v. Besnard
•    1826-1832       Freiherr v. Pöllnitz
•    1832-1861       Adalbert Dilg
•    1862-1875       Heinrich Clostermeyer
•    1875-1879       Eugen Rauh
•    1879-1887       H.J. Wilhelm Hierthes
•    1887-1898       Josef Heydel
•    1898-1900       Ludwig Stempel
•    1900-1906      Ludwig Gyssling
•    1906-1911      Franz Neumayer
•    1911-1920      Georg Schmitt
•    1920-1924      Oscar Clemens
•    1924-1929      Ernst Alexander
•    1929-1936      Emil Kieffer
•    1937-1938      Erich Prieger
•    1938-1940      Robert Leuthner
•    1941-1945      Josef Oppitz
•    1945-1946     Artur Sommer
•    1946              Adolf Trier
•    1947-1948    Theodor Henrich
•    1948-1955    Erwin Simon
•    1956-1985    Gustav Adolf Held
•    1985-2017    Winfried Hirschberger
•    ab 2017        Otto Rubly

Literaturempfehlung

Jubiläumsband „Westrichkalender 2018“ mit den Beiträgen von Roland Paul, Hans Kirsch und dem LF Volker Schlegel, die auch Grundlage dieses Vortrags sind. 

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